FreitagSpaziergang:Maskenpflicht!
Führung: Tom Schremmer

16:00Treffpunkt: Johannaparkich lade sie also auf einen zweiten diskursrundgang ein. der rundgang wird anders sein als gestern. heute haben wir viel längere wege, viel mehr zeit zum diskurs und zur interaktion mit uns selbst. wir werden wahrscheinlich deutlich weniger menschen haben, die unseren weg kreuzen als am ersten Tag.der Johannapark ist teil des zentralen kulturparks Klara Zetkin: erbaut wurde er als eine art botanischer garten von Wilhelm Seyffert, der seiner verstorbenen tochter (21) Johanna eine erinnerung setzen wollte.bereits gestern hatten wir über fragilität als trauermarsch gesprochen...trauer scheint für viele menschen etwas zu sein, das kollektiv ausgetragen wird, ebenso wie freude, es ist eine gemeinsame erfahrung. das betrauern der konservativen, dass es nicht mehr ist wie früher. das betrauern der linken, dass es die zukunft noch nicht heute ist. jede demo ein trauermarsch. jeder spaziergang in zeiten von corona… freiheit?16:00Johannapark
Noé Leleu
KOMMT, EILET UND LAUFET, IHR FLÜCHTIGEN FÜSSE, ERREICHET DIE HÖHLE, DIE NIEMAND SONST BEDECKT
der satz aus dem Bachoratorium: … kurz vor bevor wir entdecken, dass jesus nicht mehr “eingesperrt” ist. er starb für die menschen und ist wieder unter ihnen. agil. fragil?in dieser performativen installation geht es viel um durchlässigkeit.mit den füßen muss ein vorhang über stunden auf dem boden verfilzt werden bevor er aufgehängt werden kann. wie eine membran, oder herzklappe, öffnet sich der vorhang und lässt den blick hinein, auf die herstellenden oder hindurch.mich erinnert die installation an Hannah Arendts grundprinzip der Vita Activa: arbeit, herstellen, handeln.hierbei geht es um die prinzipien an der tätigkeit des schaffens, des einrichtens: warum stellt der mensch dinge her? die damit einhergehende abgrenzung von der natur mit besitz. natur: offen für alle. die sozialistische natur? der biblische moment der erkenntnis ist direkt auch verbunden mit arbeit. der mensch schafft sich seinen eigenen garten, als abbild des paradieses, das so unerreichbar ist. und selbst dieser garten will geschützt sein.Arendts Homo Faber (jener mensch, der werkzeuge nutzt) baut sich sein Eden in die natur, anstatt weiter in ihr zu leben, sie als paradies zu verstehen. warum? dadurch, dass wir erkennen können, handeln wir?jetzt sind wir in diesem park. sind wir in der natur? oder doch nicht?ca 16:30Clara Zetkin Park • Brahmsplatz
Bernhard Bormann
Natursitz
bereits gestern haben wir über den kampf zweier Leviathane geredet: Hobbes‘ anthropozänischer und Latours Gaia-Leviatan. die installation scheint nur ganz anders. sie spiegelt plötzlich die künstlichkeit unserer natur wider. in deutschland gibt es wahrscheinlich keinen ort, der nicht menschlich beeinflusst wurde. aus Hannah Arendts Homo Faber ist längst Animal Laborans geworden: er schöpft nur noch aus seiner eigenen verdinglichten welt. immer riskanter leitet er die energie der natur in seine nähe, um riesige netzwerke und die energiefressende infrastruktur zu unterhalten. er ist der natur entrückt. und damit auch dem heimatgefühl eines Adam und einer Eva, die sich vor der natur schützen müssen. und gott gab ihnen felle, um ihre blöße zu bedecken. der blickwinkel der angst des Animal Laborans liegt nicht mehr auf der natur, sondern auf anderen zoons innerhalb des politikons.die regierung ist schuld, nicht die pandemiedie pandemie wurde von der regierung sogar gemacht. das ist doch ein fantastischer einblick in unseren vermenschlichten naturraum.für die industriefachaustellung 1897 wurde das gebiet trockengelegt und exponate gezeigt, bspw. einen nachbau der Wartburg oder PoCs, in einem sogenannten “n-wort-dorf”. was genau das dorf mit der sächsischen industrie zu tun hat?abgrenzung zwischen vermeintlichen “natur-völkern” und zivilisation. selbstüberhöhung? ein jahr war es zu sehen und nicht das einzige dorf dieser art in Leipzig. auch im zoo waren diese dörfer zu sehen. im heutigen parkgelände wurden riesige hallen gebaut, ähnlich wie zu den weltausstellungen in Paris.und der name?Clara Zetkin – frauenrechtlerin. sie schuf gemeinsam mit Rosa Luxemburg in Leipzig ein wichtiges zentrum der frauenrechtsbewegung. gleich am Johannapark war der ADF Allgemeiner Deutscher Frauenverein. Henriette Goldschmidt gründete die erste “mädchen” hochschule in der heutigen Goldschmidtstraße. die parallelstraße ist nach Auguste Schmidt benannt, wichtige schriftstellerin, die sich für bildung aller einsetzte: 1865 gemeinsam mit Henriette Goldschmidt und Louise Otto-Peters, Helene Lange gründete sie den frauenbildungsverein in Leipzig aus dem dann der Allgemeine Deutsche Frauenverein entstand. Louise Otto-Peters war vielleicht die erste wichtige große publizierende feministin der deutschen sprache ab 1844, noch vor dem ersten deutschen parlament in Frankfurt am Main.all diese frauen sind präsent im stadtbild durch straßennamen und bilder und denkmäler, häusernamen und gedenktafeln.ruft euch im gehen orte und topographien, straßennamen oder alle möglichen orte in erinnerung, die ihr als impulse für diese führung nutzen könnt.an der Sachsenbrücke. sehen wir diese brücke ruhig metaphorisch: wir schlagen eine brücke, lassen die geschichte hinter uns, die schaudörfer, wo PoC ausgestellt waren, die straßennamen etc.nutzen wir den „schleier des nichtwissens“, nach John Rawls, dieser soll die “original position” herstellen - meint einen fiktiven zustand des menschens entscheidungen zu treffen, ohne dabei abgelenkt zu sein von diversen sozialen einflüssen.es geht also um gesellschaftsverträge: wie können wir als gesellschaft miteinander existieren? der bruch in vielen gesellschaften ist groß, themen wie naturbewusstsein waren (wie schon mehrfach erwähnt) auch in den 20er jahren wichtig, ebenfalls in einer zeit großer sozialer veränderungen.nun muss eine einigung ohne krieg gelingen. entscheidungen müssen getroffen werden. in einer welt, die zunehmend bestimmt wird von algorithmen, die uns jede entscheidung abnehmen sollen: sind das noch wir? unsere person? oder sind wir algorithmus? gesteuerte lesbarkeit, ausrechenbar?vielleicht hilf es euch…euch mit dem schleier des nichtwissens bis zur nächsten station von all diesen einflüssen frei zu machenca 17:15Sophie WolfPORTAL OF COMMITMENTim corona-lockdown gab es eine große internationale solidarität bzgl. George Floyd: Black Lives Matter. wie so oft, flachte das interesse abere schnell wieder ab.die künstlerin will dies durch ihr portal ändern: mit einem Gedankenexperiment, aber auch körperlich. das portal führt in eine parallelwelt.sie ist genauso wie diese welt, nur dass man selbst entschieden hat, ob man sich im alltag wirklich für das einsetzt, wofür man sich schon immer einsetzen wollte.es ist sozusagen auch ein portal der entscheidungen.beim durchschreiten des portals hört man eine sound-collage mit fragmenten und zitaten aus online-interviews, vorlesungen und video-chats, mit den schriftsteller*innen und aktivist*innen:Naomi Klein, eine kanadische globalismuskritikerin / Arundhati Roy, eine indische aktivistin, die gegen terror spricht / Imani Perry, eine interdisziplinäre wissenschaftlerin, die zu “rasse”, recht, literatur und afroamerikanische kultur forsch / Robert Paul Wolff, anarchist und marxist, der schon lange in der abteilung für afroamerikanische studien arbeitet, eine autobiographie mit dem titel autobiography of an ex-white man schrieb / Assad Rehman, direktor von „war on want“, einer organisation zur freien wohlfahrtspflege, deren ziel die beseitigung der armut ist.sehr weite strecke zur nächsten station. reflektieren wir das bisherigewieso überschneiden sich in dieser topographischen ausstellung plötzlich themen wie rassenkrieg in den USA und globalisierung mit naturnaher architektur und naturbewusstsein? sind wir einfach eine ausstellung die alles zusammenwirft was aktuell wichtige themen sind?vielleicht. aber es gibt eine ganz konkrete linie von der fragilität, über die pandemie zum naturbewusstsein hin zum gesellschaftlich verstärkten bruch - alles wackelt, wir haben nicht nur das gefühl in unsicheren zeiten zu leben, sie sind tatsächlich fr-agiler.barcode als zeichen für den ausverkauf der naturca 17:45Richard Wagner Hain
FELL
IGRAM
online präsenz macht das auftreten in der wirklichkeit viel schwieriger. niemand bewegt sich durch den raum wie vorher. wir sind wie könig*innen, die nur auf bildern zu sehen sind und plötzlich auch im echten leben ebenso glänzen müssen.was macht das mit unserer selbstwahrnehmung und unserer eigenen tätigkeit wenn durch algorithmen und dieser pandemie bestimmte bilder nicht mehr “gelebt” werden können, wenn wir zu hause bleiben müssen? der rote faden ist der einfall der pandemie in den öffentlichen raum, sie hat uns seine fragilität offenbart und damit unsere eigene.18:30Kleine Luppe
Steph Joyce
CARING & RELATING
das floß besteht nur aus zwei 220 l fässern, was seine situation sehr wackelig macht.die künstlerin wird einen text lesen über beziehungen, einsamkeit und die pandemie und meine erfahrungen mit dem selbst, dem zwischenmenschlichen und der gemeinschaft während der COVID-19-pandemie.im großteil des textes geht es um persönliche erfahrung und den plötzlichen moment nichts zu tun, also nicht tätig zu werden, wie es Hannah Arendt in ihrer Vita Activa macht.vielmehr gewährt uns die künstlerin einen einblick in ihr privates empfinden, ähnlich einer einleitung zu ihrer kunst. also ganz anders als zu beginn unseres rundgangs, wo alles ohne sprache funktionierte, wird hier mit sprache, ganz fragil, das innerste ausgedrückt.wackelig auf ihrem floß, was zu kentern droht: es erinnert an Boccaccios “Il Decamerone”, welches präzise einblicke in die lebenswelt der menschen in norditalien, während der pestepidemie gibt: darin versammelten sich zehn menschen in einem kleinen haus auf dem land, gleich einem sinkenden schiff. viele menschen fliehen aus den städten auf sichere (?) flöße, gemeint sind kleine güter, kommen zusammen zum nichtstun, geschichten werden erzählt. keine aktuellen, denn es passiert nichts. das war‘s, dann entschwinden die menschen wieder und kommen nie wieder zusammen.

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